Moin Leute. Ihr wisst ja: "Es ist ganz leicht das Rauchen aufzugeben. Ich habe es schon hundert mal geschafft." (Mark Twain)

Montag, 7. Februar 2011

Keine Post aus Portugal


Keine Post aus Portugal

Nur vierhundert vierundneunzig Euro pro Person. Eine Woche mit Halbpension.“ Dem Mann vom Reisebüro fehlte ein Schneidezahn. „Ein idyllisches Fleckchen, sag ich Ihnen, direkt am Meer,mit Ursprünglichkeit und Meeresrauschen.“
Ulla wäre Lissabon lieber gewesen. Wegen der Kultur.
Ich brauchte Ruhe und Entspannung mit Möwengeschrei.
Wir einigten uns schließlich auf Albufeira an der Algarve. Ein Kompromiss.
Kein verschlafenes Kaff, wie ich es gern gehabt hätte, aber auch keine Großstadt mit „Kultur“. Ich würde die Tage in einem Strand Cafe` verbringen. Ulla könnte shoppen gehen und unser Geld für tausend Dinge ausgeben, die uns gerade noch gefehlt hatten.
Der Flug verlief angenehm.
Unser Hotelzimmer hatte kaum Kakerlaken, das Frühstück war gut für die Figur, und der Weg bis zum Hafen war, für eine sportliche Katze, kaum der Rede wert.
Ich fand ein Plätzchen unter einer sonnen-gelben Markise, die zu einem typischen Cafe` gehörte.Von hier hatte man einen großartigen Blick auf den blendend weißen Strand, die mannshohen Wellen und die salzverkrusteten Oberteile der Senoritas.
Ulla erkundete inzwischen mit großem „OH!“ und „AH!“ die anderen Sehenswürdigkeiten.
Ich trank mehr Kaffee als meinem Magen gut tat, las ein wenig und genoss ansonsten den weiten Blick über das Meer zu meinen Füßen. Von Zeit zu Zeit kam Ulla vorbei. Vollgepackt mit Tüten und Taschen. Alles Sonderangebote, wie man ihr versichert hatte.
So gingen unsere Urlaubstage dahin, in schöner Eintracht - bis auf den Letzten.
Ich saß unter meiner friedlichen Markise und beobachtete eigentlich nichts besonderes, als Ulla verschwitzt neben mir auftauchte.
Sie atmete schwer.
Hallo Schatz, nimm doch mal die Füße von dem Stuhl, ich will die Tüten abstellen, Danke. Ich muss was trinken. Herr Ober? Eine Botiglia mit Agua, ja? Gracias Senor! Meine Güte, du glaubst ja nicht, was man hier laufen muss, um alles gesehen zu haben. Ich verdurste....Senor, machen sie doch mal etwas dawai mit meinem Wasser,....Dankeschön! Gracias, Senor, mille gracias.“
Ich legte meine Lektüre beiseite. Ulla trank gleich aus der Flasche. „Meine Zeit“ (sie machte ein Bäuerchen) „Wir hätten das Wichtigste beinahe vergessen.“
Ich zog eine Augenbraue hoch: „Das Wichtigste?“
Ja, natürlich. Heute ist unser letzter Tag und wir haben noch keine einzige Postkarte geschrieben.“
Tatsächlich?“
Ja, tatsächlich. Es ist mir eben eingefallen. Hier, sieh mal.“ Sie holte einen beachtlichen Packen Postkarten hervor. „Die müssen wir alle heute noch schreiben.“
Die alle?“
Ja, natürlich! Glaubst du etwa, ich fahre bis nach Portugal und schreibe keine Karte?“
Aber das sind doch bestimmt fünfzig Stück.“
Ach,du übertreibst, es sind sechsunddreißig. Und die werden wir jetzt an unsere lieben Daheimgebliebenen verschicken.“
Ich schüttelte den Kopf: „Nö!“
Was soll das heißen?“
Nö, soll heißen, dass ich keine Karten schreiben will.“
Du willst keine Karten schreiben?“
Nö!“
Du willst unseren Lieben nicht erzählen, wie Schön es hier war?“    „Nö!“
Ich habe es gewusst! Ich habe es wirklich gewusst. Der Herr fährt bis nach Portugal, nur um hier einen Kaffee nach dem anderen zu trinken und interessiert sich sonst für gar nichts . Nicht für Land und nicht für Leute. Und weigert sich dann auch noch eine läppische Postkarte nach hause zu schicken.“ Sie nahm einen großen Schluck aus ihrer Wasserflasche. Die Leute an den Nachbartischen sahen aufmerksam herüber.
Eine Karte wäre in Ordnung“, sagte ich, „aber nicht eine ganze Postwurfsendung von sechsunddreißig Stück.“
Eine würdest du schreiben?“
Ja, eine würde ich schreiben.“
O.K. also eine?“
Ja!“
Wie gut, dass ich das vorhergesehen habe.“ Sie legte eine Karte auf den Tisch. Das Foto zeigte unsere Bucht.
Die ist ja schwarz- weiß“, sagte ich. Ulla kramte in ihrer Tasche. „Genau, aber weil du ja der Künstler in unserer Familie bist, darum... habe ich dir... ein paar Buntstifte zum Kolorieren mitgebracht.“
Ich liebte eine Wahnsinnige!
Hier mein Schatz. Ich schreibe fünfunddreißig Ansichtskarten. Du schreibst nur eine. Handkoloriert, für Helmut und HelgaHerrmann.“   
„Für unsere Nachbarn?“
Ganz genau!“ Ulla zückte ihren Kuli, klemmte die Zunge zwischen die Zähne und beschrieb Karte um Karte. Der Kellner schleppte Kaffee und Wasser heran und ich bemühte mich nach Kräften.
Wir wurden etwa gleichzeitig fertig.
Ulla stopfte ihre Karten in eine Einkaufstüte. „Dann lass mal sehen, was mein Künstlergatte zustande gebracht hat.“
Ich zeigte es ihr, und sie war überrascht.
Was soll das denn sein“
Was meinst du?“
Warum haben die Badegäste alle rote Hintern?“
Sonnenbrand.“
Und was ist das Schwarze hier?“
Rauch.“
Rauch?“
Ja, die Pommesbude brennt.“
Und warum hat das Haus da oben rote Fenster?“
Das ist der Puff, falls Helmut mal herkommen sollte.“
Und was ist da im Wasser?“
Haifischflossen, sieht man doch.“
Warum?“
Damit seine Frau zuhause bleibt.“
Und der schöne Strand, was soll das Schwarze denn sein?“
Ölpest“.
Und die zwei Eier mit dem Stiel in der Mitte?“
Atomkraftwerk“.
Ulla seufzte und schüttelte den Kopf. Sie nahm die Karte, zerriss sie, und Hundert kleine Schnipsel regneten auf meinen Kopf.
Armer Helmut, dachte ich. 
Ich hätte dir wirklich gern geschrieben, wie schön es an der Algarve ist.


 

3 Kommentare:

  1. Lieber Janek,
    ich habe mich köstlich amüsiert. Dass dein Protagonist (von dem ich mir gut vorstellen könnte, dass du das tatsächlich bist) keinen Tobsuchtsanfall bekommen hat, weil nun die Karte zu einem Puzzle zerlegt worden ist...
    Klasse!
    Liebe Grüße
    Luisa

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  2. Liebe Luisa,
    schön, dass du`s gelesen und dich gemeldet hast.
    lieben Gruß
    Janek

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  3. Das wäre ja mal ne nette Urlaubsortbeschreibung geworden. Nur schade, dass Ulla sie zerrissen hat. Man(n) hat´s aber auch nicht leicht...

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