Moin Leute. Ihr wisst ja: "Es ist ganz leicht das Rauchen aufzugeben. Ich habe es schon hundert mal geschafft." (Mark Twain)

Donnerstag, 7. Juli 2011

Columbo ist tot

Columbo ist tot

Da sehe ich doch letztens, das ist so ungefähr vierzehn Tage her, aus dem Küchenfenster von meinem Leuchtturm.
Es war noch ziemlich früh am Morgen – lass das so halb sechs gewesen sein , aber es war schönes Wetter und da steh ich dann immer ein bisschen früher auf.
Da sehe ich, unten auf dem Poller am Hafenbecken da sitzt einer.
Hein Wernersen – ist `n ganz alter Kumpel von mir, wir kennen uns ewig.
Der ist normalerweise für die Strandkörbe zuständig, im Sommer wenigstens.
Ist ein gestandener Bursche, ein Kerl wie ein Großmast, aber jetzt sitzt der da unten so rum, und das macht keinen guten Eindruck – ich kann nicht sagen warum, aber irgendwie...
Na, dann bin ich da mal zu ihm runter.
Mensch Hein, moin“, sag ich.
Moin, Janek.“
Und wie isses, alles gut?“
Alles Schietkram... irgendwas stimmt nich - ich komm den Deich nicht mehr runter.“
Wie, du meinst `nicht mehr hoch`.“
Nee nee, ich meine `runter`.“
Wat?“
Ja“, sagt er, „ich bin heute morgen...also ich bin den Deich rauf und das ging fast gar nicht. Na gut, denk ich, jetzt geht das bergab und dann wird das bestimmt leichter. Aber dann bin ich unten angekommen und fühl mich, als hätte ich einen tausend-Meter-Lauf hinter mir. Mir tat die Brust weh – alles war so eng da... ich hab Sorge, dass das vielleicht die Pumpe is.“
Ach was“, sag ich, „die Pumpe. Das ist bestimmt nicht die Pumpe, nee, das is was anderes. Das sind verklemmte Blähungen oder so.“
Tatsächlich?“
Ja, so was gibt das. Das kannst du haben, da ist der ganze Bauch und alles so voller Luft, und das drückt denn so da hin und da so hoch. Und wenn du das nicht los werden kannst, denn hast du das Gefühl, die Pumpe macht bald schlapp.“
Sag bloß.“
Ja“, sag ich, „das Herz ist das nicht – da musst du mal zum Homöopathen hin, der gibt dir da was für.“
Meinst du?“
Ja, der Doktor... Sowieso, der is eigentlich kein richtigen Doktor, das is so ein Naturheilfritze, der weiß da was von. Du brauchst dir ja wegen so was nicht gleich die ganze Chemie da in den Kopp zu hauen.“
Wenn Du das sagst“, sagt Wernersen, „denn versuch ich das doch mal.“

Der Wunderdoktor hat ihn mit `Iris – Diagnose`, oder wie das heißt, untersucht und hat ihn auch so überall befühlt und gemeint: „Herr Wernersen da ist alles verbläht und übersäuert. Ich gebe ihnen mal ein paar Tropfen. Dann wird das auch wieder.“
Da war Wernersen ganz fröhlich damit, ist doch klar.
So richtig überzeugt war er allerdings dann doch nicht. Einen Termin beim Hausarzt kann man ja trotzdem mal machen, hat er gedacht, das schadet ja nicht – obwohl... Eigentlich geht unsereins da ja gar nicht hin - ich auch nicht.
Die verschreiben einem doch nur all so einen pharmazeutischen Kram; das ist doch alles Gift. Da nimmst du eine Pille gegen Kopfweh und dann hast du nachher den Skorbut am Mors oder irgend so was – da braucht man nur mal die Packungsbeilage zu beachten.
Hein hat sich einen Termin geben lassen, für ne Woche später.
Er wollte die Tropfen vom Homöopathen nehmen, und denn würde der Doktor da natürlich auch nichts finden. Weil das ja doch alles nur Blähungen sind.
Nun, dann wurde das durch die Tropfen auch ein bisschen besser, und er musste immer so aufstoßen, und das war gut - das klingt nicht vornehm, aber das hilft.

Am nächsten Mittwoch ist er dann zu dem Doktor hin, zu Dr. Kröger.
Der ist wohl ein ganz feiner Kerl, meine Frau geht da ja auch hin, aber Hein meinte der hatte einen Händedruck wie ein Messdiener - so schön zart und wabbelig.
Da hat der Kröger ja auch schließlich lange für studiert“, hab ich gesagt.

Also Wernersen ist da hin, und dann hat der Doc ihn auch gleich ins Verhör genommen.
Sie sind ein bisschen zu dick“, hat er gesagt.
Ich bin doch nicht dick, ich bin kräftig.“
Rauchen sie denn auch?“
Jau, rauchen tu ich.“ ( Das war die falsche Antwort.)
Wie viel?“
Na, vielleicht so zwanzig Stück. Aber nur ganz dünne Selbstgedrehte.“
Das ist gefährlich, so in Ihrem Alter...“
Wieso, ich bin fuffzich.“
Genau“, sagt der Doktor, „da geht das dann alles los – Risiko, Risiko...zu wenig Bewegung, zu gutes Essen – trinken Sie Alkohol?“
Oh, Alkohol würde ich das jetzt nicht direkt nennen. Nicht in dem Sinne jedenfalls. Nicht viel und auch nicht regelmäßig.“ (Das war gelogen)
Dann hat der Doktor ihm Blut abgenommen, das konnte Hein ja nun gar nicht ab – das geht mir aber genauso.
Nicht etwa, dass ich da Angst vor hätte, aber wenn die da rein pieken und zapfen dir da das Blut da ab ..nee, und vor allem nicht am frühen Morgen; und auf nüchtern Magen schon mal gar nicht.
Dann haben sie ihn an einen Apparat mit solchen Saugnäpfe angeklemmt - EKG heißt das, glaube ich; wieder so eine Abkürzung die keiner versteht. Damit kann man sehen, ob dein Herz auch richtig funktioniert.
Aber da war nichts.
Alles prima, sagt Wernersen, die Sprechstundenhilfe war auch zufrieden mit ihm. Und sie hatte einen sehr kleinen, schwarzen Schlüpfer an, den konnte man durch die weiße Hose sehen – das war wenigstens ein Lichtblick in dieser antiseptischen Stätte.
Ich sah aus, sagt Hein, als hätte mich irgend so ein Krake überfallen – als sie die Saugnäpfe denn wieder abgemacht hatten.
Dann musste er noch zum Ultraschall, aber da war auch alles beisammen da innen drin, und schwanger war er auch nicht.
Nur seine Brust war vollgeschmiert mit so einen Glibber, den man sonst extra beim Erotik – Versand bestellen muss. Da wollten sie ihm aber nichts von mitgeben.

Gut“, hat der Doktor gesagt, „wir wollen trotzdem lieber nichts riskieren, und darum gehen sie mal nächste Woche noch zum Kardiologen.“
Ein Kardiologe, das ist ein `Pumpendoktor` könnte man sagen.
Wernersen hat `ne Überweisung gekriegt und auch schon mal allerhand Medikamente gleich mit.
Ich sag: „Was is das denn alles?“
Das soll ich jetzt alles hier einnehmen, ich weiß auch nicht - nehm ich ja sonst normalerweise gar nichts von, von dem Zeug...“
Guck mal“ ,sag ich, „das hier is doch Ameisensäure, oder wie das heißt. Das ist so was wie Aspirin.“
Ach“, sagt er, „denn is ja gut; denn krieg ich ja auch keine Kopfschmerzen vom Saufen mehr.“ Und grinst.
Nö“, sag ich, „kannst du ruhig nehmen.“

Er hat immer schön seine Tropfen von dem Homöopathen und das Aspirin genommen und, wollen mal sagen, es ging ihm jetzt nicht wirklich gut; so richtig schlecht aber auch nicht. Zumindest im Halbschatten auf der Terrasse, da hatte er überhaupt keine Probleme.
Nun war eine Woche später den Termin beim Kardiologen, und da war ihm doch schon etwas mulmig. So ein Herzdoktor, da hat man ja noch nie was mit zu tun gehabt .
Aber“, hat Hein gesagt, „weißt du, ich brauch da eigentlich ja gar keine Angst davor zu haben: Weil, die werden da ja nix finden. Der Kröger hat ja auch nichts gefunden mit sein EKG, und denn wird der andere auch nichts finden. Sind ja nur Blähungen.“
Genau, hab ich gesagt, das denke ich doch auch.
Am Mittwoch Morgen ist er dann um halb zehn da hin. Im Wartezimmer saßen nur alles alte Leute, so Grauköppe.
Gut, ein etwas jüngerer Kerl saß da auch, aber der war so fett, der wog wenigstens hundert-fünfzig Kilo und mehr – da war Wernersen doch erleichtert.
Weil, so alt ist er nicht und so dick ist er auch nicht – und da konnte ihn das alles auch gar nicht betreffen hier.
Die würden gar nichts finden, die Spezialisten.
So nach einer halben Stunde, er hatte die `Gala` kaum ausgelesen, riefen sie ihn auf und er musste zum Doktor rein.
Der fing denn auch den gleichen Quatsch zu fragen an: „Rauchen Sie?... Was wiegen Sie?... Wie groß sind sie?“ – also eben den ganzen Blödsinn nochmal von vorne.
Als ob das irgendwas helfen würde, oder auch nicht.
Na ja, dann musste Hein wieder zum EKG, aber diesmal mit so einem Trimm- dich-Fahrrad. Da ist er drauf, und die Sprechstundenhilfe kam dann auch wieder mit den Saugnäpfen an.
Da sollte er jetzt mal strampeln, aber das war kein Problem, das schaffte er so locker wie nur irgendwas, und die junge Dame guckte auch ganz zufrieden auf ihren Monitor. Dann wurde das auf einmal schwerer zu treten, einfach so.
Mensch, denkt Wernersen, komm Junge, das schaffst du – und er hat denn auch mal `n bisschen Gas gegeben.
Moment“, meinte da die Schwester, „mal nicht so übertreiben hier.“
Ach“, sagt Hein, „das is doch alles kein Problem hier, das schaffen wir doch mit links.“
Dann wurde das Ding wieder schwerer zu treten, ich meine, das war ja nun auch nicht fair.
Als das dann zum vierten mal schwieriger wurde, kriegte er das fast gar nicht mehr gedreht, und sein Herz fing ordentlich an zu wummern – aber das ist ja auch klar bei so einer Belastung.Wir sind solche Bergtouren hier doch gar nicht gewöhnt.
Dann durfte er aufhören und der Doktor kam an, und hat sich das angesehen, und meinte: „Da müssen wir Ihnen wohl mal Blut abnehmen.“
Nee“, sagt Wernersen, „brauch ich nicht - das hab ich doch letzte Woche erst.“
Da ließ sich der Doktor aber nicht von überzeugen.
Dann durfte Hein sich wieder anziehen.
Ja Herr Wernersen“, hat der Doktor gesagt, „ hier ist der Befund. Da müssen wir was machen, das geht so nicht weiter. Hier, diesen Schein, den müssen Sie mal eben unterschreiben.“
Wie“, sagt Wernersen, „ unterschreiben?“
Mit Ihrem Herzen ist etwas nicht in Ordnung.“
Was soll damit nicht in Ordnung sein?“
Das wissen wir eben noch nicht, und darum müssen wir da mal nachsehen.“
Nachsehehen?“
Das ist alles nicht weiter wild. Da machen wir einfach einen kleinen Eingriff im Krankenhaus. Sind Sie allergisch gegen Kontrastmittel?“
Wernersen ist allergisch gegen alles, was auch nur im entferntesten mit Krankenhaus zu tun hat.
Der Doktor hatte dann auch schon gleich so einen Zettel parat und da allerhand drauf angekreuzt – Linksherzkatheter, irgendwas mit Konorar...fragmichnich, und denn was von wegen PTCA, und denn noch Stent- Implantation und Laevokardiodingens. Alles, das komplette Programm.
Hein wusste überhaupt nicht, was er davon halten sollte.
Gut, da waren so allerhand bunte Bilder für die Analphabeten drauf; so vom Herzen wie das so aussieht und wo das denn beim Menschen so sitzt - damit man das auch mal weiß...
Und auch so`n paar Querschnitte durch irgendwas; wahrscheinlich durch eine Ader.
Dann kam raus: Die wollten ihm da so einen Draht einführen! Unten von der Leistengegend bis oben zum Herzen hoch. Dahin wo der Dreck die Ader verstopft, und mit ein Ballon wollten sie das da aufblasen, und das sollte denn wohl die Arterie wieder gangbar machen. Und dann sollte da so ein Ding rein, wie ein Hohlraumdübel, damit das dann auch nicht gleich wieder dicht geht; und all so was.
Wernersen war da im Moment völlig überfordert .
Da muss ich aber erst mal meine Frau nach fragen, was die denn da wohl zu sagt...“
Ihre Frau fragen? Wenn sie erst mal tot sind, brauchen Sie nicht mehr zu fragen“, meinte da der Doktor. Ein sympathischer Mensch.
Ja, hat Hein da gesagt, denn wollte er sich wieder melden.
Da brauchen Sie sich nicht `wieder melden“, hat der Doktor gesagt, „entweder heute oder morgen.“
Is das denn so eilig?“
Ja, das ist so eilig, das muss jetzt passieren.“
Ich ruf denn an“, hat Wernersen gesagt und fluchtartig den Raum verlassen. Da musste er raus, aus dem Schuppen – erst mal tief Luft holen, eine rauchen.
Er ist nach Hause und war natürlich fertig mit der Welt, kann man sich ja vorstellen. Ich hab ihn dann noch getroffen. Der war ganz blass, hat auch gar nicht viel gesagt.
Wir sind noch ein Bisschen gegangen; Sagt er: „ Weißt du Jan – ich glaub, das machen wir lieber nich, oder?“
Sag ich, ja...das weiß ich jetzt auch nich.
Ach, ich ruf da an“, sagt er, „ und sag das ab, das wird schon. Das is nur ein verklemmtes Bäuerchen, da nehm ich meine Tropfen und denn is gut. Die wollen einen doch nur Angst machen.“
Wenn du meinst, sag ich.

Hein hatte das schon fest beschlossen, da ruft sein Hausarzt ihn an und sagt: „Tja Herr Wernersen, da müssen sie dann ja wohl hin, der Kollege hat mich angerufen.“
Sagt Hein: „Das weiß ich jetzt aber nicht Herr Doktor, ich meine, ich hab noch nich mit meiner Frau gesprochen, wer die Kinder abholt und so. Ich werde mich aber darum kümmern, ganz bestimmt“, und hat dann auch tatsächlich bei dem Kardiologen angerufen.
Hallo, hier is Hein Wernersen... ich wollte das nur mal eben absagen.“
Ist gut, sagt die Sprechstundenhilfe, dann wissen wir Bescheid – tschüss auch.
Zehn Minuten später ruft der Hausarzt wieder bei ihm an und macht Dampf, macht da richtig Ärger und meint: „Also Herr Wernersen, bei mir brauchen Sie nicht mehr vorbei kommen. Wenn sie übermorgen tot im Garten liegen – denn sind wir beide geschiedene Leute... wenn Sie nicht machen, was man Ihnen sagt.“
Das war ja nun starker Tobak
Gut, also hat Wernersen nochmal angerufen, bei dem anderen Arzt, und sagt: „Ich hab mir das anders überlegt, denn machen wir den Termin eben doch.“
Ja Herr Wernersen, hat die Sprechstundenhilfe gesagt, denn kommen sie man morgen früh, halb zehn, mit nüchternem Magen. Kein Kaffee und kein Tee und kein Nix und so.

Abends hat Hein das seiner Elfriede alles gebeichtet und gesagt: „Hier, pass` auf, wenn ich morgen nich wieder komm, denn weißt du Bescheid. Ich hab mir das hier mal durchgelesen, so mit den Risiken und Nebenwirkungen – da kannst du so ziemlich alles von kriegen was du dir vorstellen kannst. Wenn ich demnächst im Rollstuhl sitz` und bisschen blöde aus der Wäsche gucke, dann darfst du dich nich wundern. Dann haben die da Mist gebaut, aber das geht in Ordnung – da hab ich für unterschrieben.“
In dieser Nacht hat Hein gar nicht gut geschlafen. Hat geträumt von langen, gebogenen Drähten, von dicken Schläuchen die vorne so kleine Zähne hatten und die sie ihm überall einführen wollten.Von langen Nadeln und von lüsternen Krankenschwestern, die immer unter sein Nachthemd gepeilt haben - all so was eben.

Am nächsten Morgen hab ich mein Köfferchen gepackt“, hat Wernersen mir später erzählt, „ noch eben die Kinder zur Schule gebracht, und dann bin ich Richtung Krankenhaus.
Da hab ich auch dummerweise gleich einen Parkplatz gefunden, sonst hätte ich ja noch mal wieder weg fahren können...
Ich bin die Freitreppe rauf zum Eingang hin, und da saß so ein junges Mädel auf einer Bank – und die arme Deern hat geheult wie ein Schlosshund. So was um halb zehn, das war ja schon mal ein schlechtes Omen. Ich meine, ich bin nich abergläubisch, aber ein schlechtes Omen erkenn` ich trotzdem.
Oben neben dem Haupteingang is die `arme – Sünder – Ecke`, da sitzen die ganzen traurigen Gestalten die sich das Rauchen noch immer nicht abgewöhnt haben.

Sie brauchen sich nicht anzumelden“, hatte der Kardiologe gesagt, „Sie fahren einfach mit dem Fahrstuhl hoch in den neunten Stock, die wissen da schon Bescheid.“
Also bin ich da hoch gefahren und hab` geklingelt, und die haben mich da auch gleich rein gelassen. Ich hab meine Papiere vorgezeigt und sollte denn wieder so einen Wisch unterschreiben. Von wegen, dass da wieder keiner an Schuld is, wenn vielleicht doch was schief gehen würde, und so weiter. Das würde ich denen dann auch nicht übel nehmen dürfen, weil das wäre dann ja `Künstlerpech` oder ein `künstlerischer Fehler` oder wie man im Fachjargon dazu sagt.
Dann hat mich eine von den Schwester in ein Krankenzimmer geführt, da standen vier Betten rum, und da waren drei von belegt mit drei alte Kerle.
Ja“, hat die Schwester gesagt, „dann ziehen Sie sich mal ganz aus, und hier, dieses Hemd, das streifen Sie denn mal über. Ich bin gleich wieder da.“
Das war mir ja doch etwas peinlich.
Wie, alles ausziehen?“
Ja, haben die anderen Mackers gesagt, alles ausziehen. Nur die Socken darfst du anbehalten.
Stehen die Weiber hier auf so was, oder wie?“
Da mussten die Burschen ja alle mal Lachen – nur der eine nich, der war noch nicht dran gewesen.
Die andern beiden waren schon durch mit der Untersuchung, und die waren auch ganz fröhlich und erzählten sich was vom Krieg und so - dass der eine bei der Waffen SS damals nich genommen worden war, aber dann doch zur Marine gekommen ist; was ja auch viel besser war. Dann kamen sie auf Afghanistan, und dass das alles da gar kein anständiger Krieg is, und so, und denn auf schwule Politiker, und dass es so was früher nich gegeben hat – da konnte man von Adolf halten was man wollte. Was man sich eben alles so erzählt.
Ich hab mich denn ja auch ausgezogen, und das komische Hemdchen an.
Nee, meinten da die anderen, den Schlitz musst du nach hinten machen, vorne soll das zu. So ein Blödsinn, warum war das hinten offen, da brauchte doch keiner dran.
Das Ding war auch viel zu eng und ein bisschen kurz – ich meine, wer läuft denn schon so rum?
Erst wollte ich `n bisschen schummeln und die Unterbüx anbehalten, denn kam aber die Schwester und sagt, nee nee, das muss auch aus da.
Da konnte ich ja nu nichts gegen machen, und hab mich in das freie Bett gelegt.
Dann kam die junge Dame an und hatte einen Rasierapparat dabei. Damit hat sie mir erst mal die Bikinizone rasiert, so was is mir ja noch nie untergekommen.
Ich meine, die war zum Glück nich so wirklich hübsch, sonst hätte das ja man erst richtig peinlich werden können...
Dann wollte sie mir eine Kanüle legen, und meinte, ja – die Adern wären ja auch nicht so richtig gut.
Wat?“ sag ich, „ die Adern die sind prima, die sind noch wie neu. Wenn die mir sonst `ne Spritze geben, denn finden die immer sofort eine.“
Da muss man ja auch immer nur so ein klein bisschen rein“, sagt sie, „aber wir müssen hier ja viel tiefer.“ Dann hat sie mir denn die Nadel gezeigt, und die war bestimmt so lang wie mein Daumen. Mir wurde ein bisschen blümerant, kannst du dir ja wohl vorstellen. Sie hat dann den anderen Arm genommen, weil der eine schon blau wurde, und da einen Anschluss gelegt.
Der Opa neben mir war an der Reihe und wurde raus gefahren, war `n bisschen blass der Gute, und hat gesagt: „Wenn ich da heil wieder raus komme, kauf ich mir einen BMW.“ Und ich konnte mir denn erst mal eine halbe Stunde die Decke angucken. Dann brachten sie den Opa wieder und der war erstaunlich gut zu Wege, bei dem war wohl nichts schief gegangen. Aber sie sagen ja auch immer, einer von zehn is dran – weißt du wie viele vor dir waren? Nee, das weißt du nicht.
Dann haben die Schwestern mich da raus gefahren, das war wie im Kino; du liegst platt auf dem Rücken und über dir fährt die Zimmerdecke vorbei. Erst kam eine Leuchtstoffröhre, dann ein Rauchmelder, dann ein Ventilator und wieder eine Leuchtstoffröhre, und so weiter. Dann waren wir beim OP angekommen und die sind da mit einigem Schwung um die Kurve gefahren und fanden das lustig - hatten ja auch keinen Grund bedrückt zu sein.
In dem OP – Saal waren so riesige Apparate aufgebaut, ein paar große Bildschirme und hinter einer Glaswand war wohl die Kommandobrücke, da saßen denn die Ärzte. Dann haben die Schwestern mich ganz ausgezogen - das war dann nicht nur peinlich, dann war das auch noch kalt.
Herr Wernersen“, sagt eine von den Schwestern, „ Sie sind ja wohl auch ganz schön aufgeregt, ich könnte ihnen da so ein kleines Beruhigungsmittel geben – wenn Sie wollen.“
Also, wenn das wieder mit `ner Spritze zu tun hat“, sag ich, „ dann mal lieber nich, dann halten wir das auch so aus. Von wegen: Matrosenherz kennt keine Feigheit...“
Nee“, sagt die, „ Sie haben die Kanüle da ja schon liegen, da können wir Ihnen das einfach so verabreichen.“
Gut, sag ich, denn gib mal ruhig ein Schluck davon, kann ja nicht schaden.
Ich meine, vielleicht war so was ja ganz angenehm. War das auch.
War ein gutes Zeug, muss ich schon sagen, da machte sich bei mir gleich so eine „leck mich am Arsch – Stimmung“ breit. So was müsste man zu Hause haben, wenn die Liebste mal wieder schlechte Laune hat.
Dann kam der Doktor in voller Maskerade, so mit Mundschutz und dicker Brille und hat angefangen da rumzustochern – da hat man aber nichts von gemerkt.
Auf dem Monitor konnte ich richtig das Herz sehen, und im Hintergrund auch die Wirbelsäule, das war interessant. Denn haben sie da immer das Kontrastmittel rein gespritzt und dann hast du das richtig gesehen, wie die olle Pumpe denn pumpt, und die dicken Adern da, wie das alles so arbeitet. Wenn man das Beruhigungsmittel intus hat, kannst du da ganz entspann zusehen. Man sah auch den Draht da rein gehen, und wie der Doktor mit dem Ballon das alles wieder geweitet hat. Denn haben sie diesen Spreizdübel da eingeführt, damit alles auch wieder schön läuft und denn war das damit auch schon erledigt.
Nur noch ein bisschen Blut abwischen, dann haben sie mich zurück in das Zimmer gefahren.
Die anderen Jungs hatten sich schon wieder angezogen – die konnten am gleichen Tag noch nach Hause. Sie sollten nur noch etwas im Zimmer auf und ab gehen um zu sehen, ob das da unten nicht auch wieder aufplatzt. Das kann passieren, und dann ist es natürlich besser, wenn die Schweinerei im Krankenhaus und nicht im Bus passiert – weil, da kann man ja besser aufwischen wegen dem Linoleum und so.
Mich wollten sie da behalten.
Ja, sagte die Schwester, Sie gehen bis morgen auf Station. Sie haben ja den Stent bekommen.
Das fand ich ja nun gar nicht witzig; die ganze Nacht noch im Krankenhaus bleiben - da rumhängen, und auch noch da pennen und so.
Inzwischen hatten sie noch zwei neue Kandidaten gebracht.
Der eine erzählte, er hätte jetzt schon den zweiten Herzinfarkt hinter sich, und den Katheterkram den kennt er schon. Aber er fand das alles gar nicht so schlimm, dann kam er wenigstens mal von zu Hause raus. Seine Frau hatte vor zehn Jahren Hirn-bluten gehabt, und ist seit dem gar nicht mehr ansprechbar, die liegt da nur noch rum und weiß nichts mehr. Er muss sie pflegen, und die Kinder würden sich da auch nicht drum kümmern - da wäre das hier doch mal eine ganz schöne Abwechslung, so im Krankenhaus. Dann nimmt der seine Wasserflasche und ich sehe, dass der Kerl an der rechten Hand nur noch einen Daumen hat – die Finger alle ab. Der hatte wohl auch mal Tischler gelernt.
Der andere hatte so eine große Tätowierung auf der Schulter, ich weiß jetzt nicht wie man so was nennt – war nichts schickes oder so. Mehr so ein Schnörkelkram, so ein „Tribal“; irgendwie barock, wie von Omas Schrankwand abgekupfert. Ansonsten sah der ein bisschen nach Bodybuilder aus, obwohl der auch eigentlich ein alter Sack war. Ganz sportlich und gut in Form, aber siehste ja, hat ihm auch nichts genützt.
Mit dem kam ich dann auch aufs gleiche Zimmer. Hans hieß der, war ein netter Kerl. Da oben auf unserem Zimmer, da war einer, der wohnte da.
Der hatte so eine tiefe und angenehme Stimme, aber das kam von der Kanüle; wo andere Leute einen Kehlkopf haben, da hatte der ein Loch. Es stellte sich raus, der hatte Krebs, und sie hatten ihm schon alles weg genommen, was da weg zu nehmen war.
Ja, sagte der, als nächstes werden die wohl den ganzen Kopf amputieren, wenn da noch mehr Krebs kommt. Er ging nur ab und zu nach Hause um frische Wäsche zu holen, weil Familie hatte er nicht.
Ab nächste Woche kriege ich Bestrahlung, hat er gesagt, und wenn das alles auch nicht hilft, dann kauf ich mir ne Schachtel Kippen und ne Pulle Schnaps und dann gehe ich Aale fangen.

Ich konnte nicht so richtig schlafen, ich meine, ich gehe ja noch nicht mal in ein Hotel oder eine Pension – und denn hier mit zwei fremde Kerle auf einer Bude.
Ich hab mich dann mal runter geschlichen in die Raucherabteilung, da unten neben dem Haupteingang. Das durfte der Oberarzt ja auch nicht sehen – obwohl eigentlich kann dem das doch ganz egal sein. Ich meine, was regen die sich auf – wenn es keine Raucher gäbe, dann würden die ihre komischen Kanülen und Implantate doch gar nicht los werden. Dann würden die doch mit einem Fiesta fahren, oder einem alten Golf; die verdienen doch ein Schweine Geld damit, dass andere Leute krank sind.
Musst du nur mal in die Tiefgarage vom Krankenhaus gehen und gucken was da so alles rum steh – denn weißt du aber Bescheid.
Da unten saßen sie denn, die ganzen armen Mädels und Jungs – das ist denn ja auch schon richtig heftig, wenn du die siehst. Arme ab, Beine ab, keine Haare und solche Beutel hängen da an der Seite raus, und alles...
Da kommt man sich richtig lächerlich vor, mit dem kleinen Draht, den man da an der Pumpe hat. Da gibt es ja ganz andere Fälle - und die saßen da ja auch, die „anderen Fälle“. Nur schmöken taten die alle noch, ganz egal ob Krebs oder Herzinfarkt, oder was weiß ich. Dann fing das an zu regnen, und denn saßen die armen Burschen in der Nässe rum. Könnte man denen nicht mal ein etwas angenehmeres Plätzchen machen ? Sterben doch sowieso alle demnächst.
Am nächsten Morgen haben sie uns dann um halb sieben geweckt, was ja auch eigentlich ein ziemlicher Unsinn ist, weil man sich doch erholen soll.
Dann bekam jeder eine Scheibe Graubrot und ein Brötchen, bisschen Butter und Marmelade – aber egal, der Kaffee war gut, und ich wollte nach Hause.
Es kam mir vor, als ob ich wenigstens acht Wochen da gewesen wäre.
So gegen neun musste ich runter in die andere Abteilung und da haben sie mir den Druckverband abgemacht. Da war ich froh, denn das Ding hatte sich wie ein Ziegelstein angefühlt, konnte man kaum mit laufen.
Die Schwester hat ein normales Pflaster aufgeklebt und gesagt, wenn das wieder anfängt zu bluten, dann müssen sie sofort den Krankenwagen anrufen.
Dann durfte ich raus.
Als ich zu Hause angekommen bin, war da keiner. Die Frau auf der Arbeit, die Kinder in der Schule – keine Blumen, kein Empfangskomitee.
Aber ich war noch immer da, damit hatte ich nicht gerechnet.“

Zwei Tage später saßen Hein und ich auf der Bank oben auf dem Deich und sahen uns den Sonnenuntergang an.
Wusstest du, dass Columbo gestorben ist“, sag ich.
Nee“, sagt Wernersen, „wie alt ist er denn geworden?“
Ich weiß nicht genau, aber ein ganzes Stück über achtzig.“
Der hat doch auch geraucht, oder?“
Ja, hat er.“
Siehst du“, sagt Wernersen, „ hab ich doch gewusst, dass das da dran nicht liegen kann.