Moin Leute. Ihr wisst ja: "Es ist ganz leicht das Rauchen aufzugeben. Ich habe es schon hundert mal geschafft." (Mark Twain)

Dienstag, 23. Oktober 2012

Die Sache mit Drei-Finger-Joe

Die Sache mit Drei-Finger-Joe

Es war ein heißer, schwüler Nachmittag in Fort Lauderdale. Genauso unerträglich, wie jeder andere verdammte Nachmittag in diesem verdammten Florida, dachte Agent Myers.
An anderen Tagen funktionierte wenigstens die Klimaanlage, aber die war am frühen Vormittag ausgefallen, und so hatte sich das Polizeipräsidium in etwas verwandelt, dessen Klima es mit jeder Waschküche aufnehmen konnte. Samuel Myers war erst vor acht Wochen aus New York hierher versetzt worden und er hasste diesen so genannten „Sunshine State“ seit er das Flugzeug verlassen hatte.
Er grüßte knapp, als ihm Officer Mc Mullen, ein breitschultriger Kollege in Uniform, die Tür zu Verhörraum Nr.4 öffnete. Darin befanden sich ein Tisch, zwei Stühle und ein hagerer Kerl, der auf einem der Stühle saß. Die Jalousien waren heruntergelassen, aber auch in diesem schattigen Halbdunkel, war zu erkennen, dass der Mann auffallend teuer gekleidet war. Nur seine weißen Lederhandschuhe wirkten unpassend. „Mafia-fashion“, Myers grinste.
„Hi, ich bin Agent Samuel Myers.“
„Ich weiß“, sagte der Mann.
Der Agent nahm sich den freien Stuhl und setzte sich. Er warf einen Blick in den Aktenordner, den er mitgebracht hatte: „Ihr Name ist Giovanni Bugiardo?“
„Ja.“
„Hier steht, dass man Sie auch `Drei-Finger-Joe` nennt.“ 
„Das kommt vor.“
„Merkwürdig. Wie ich sehe, haben Sie noch alle ihre Finger.“ 
„Das hat nichts miteinander zu tun.“
„Und die Handschuhe, warum tragen Sie die?“
„Fragen Sie meinen Hautarzt. Ich brauche dazu nichts zu sagen.“
„Mr.Bugiardo, sie wissen, was man Ihnen vorwirft?“
„Darf ich rauchen?“
„Rauchen? Natürlich, aber ich habe keine Zigaretten dabei.“ 
„Ich habe alles, was ich brauche, Sie müssten mich nur von diesen Dingern hier befreien.“
„Die Handschellen?“
„Ja bitte.“
Myers zögerte einen Moment, dann ging er zur Tür und gab dem Kollegen draußen seinen Revolver. Er wollte kein Risiko eingehen. Dann ging er zurück und nahm Joe die Fesseln ab. „Gut, aber keine faulen Tricks.“
„Ich werde nicht weglaufen, keine Angst.“ Der Mafiamann holte ein flaches Etui hervor, nahm eine Zigarette heraus und steckte es zurück.
„Mr. Bugiardo, sie werden beschuldigt, sechs junge Frauen ermordet zu haben.“
„Es waren sieben.“
„Was sagen sie da?“
Joe fingerte ein silbernes Feuerzeug aus seiner Hosentasche: „Die Letzte habt ihr nur noch nicht gefunden.“
„Sie geben es zu?“
„Natürlich, ist doch egal.“
„Egal?“
Der Mafioso steckte seine Zigarette in Brand: „Ja, es ist egal, ob ich es zugebe, weil du mich sowieso laufen lässt.“
„Ich werde Sie laufen Lassen? Warum sollte ich das tun?“ 
„Weil ich dir sonst erkläre, was es mit meinem Spitznamen auf sich hat.“
„Ach ja? Und was sollte das sein?“
Joe hob den Daumen seiner linken Hand: „Eins“, sagte er, „Ich werde dir ein bisschen wehtun.“ Er hob den Zeigefinger: „Zwei. Ich werde dir ein wenig mehr wehtun. „Bei drei“, er streckte den Mittelfinger aus, „wird es für dich richtig unangenehm.“
„Sie wollen mir drohen?“
Bugiardo lächelte: „Ein schönes Auto hast Du da auf dem Parkplatz.“
„Was geht sie mein Auto an?“
Joe klappte sein Feuerzeug auf und drückte einen verborgenen Mechanismus. „Eins!", sagte er, und von draußen war eine gewaltige Explosion zu hören.
Myers stürzte zum Fenster und sah seinen Wagen in hellen Flammen stehen. Er drehte sich um: „Sie Wahnsinniger, was haben sie getan?“
Auf dem Flur waren eilige Schritte und laute Rufe zu hören. 
„Ich habe sieben Frauen getötet und gerade Deinen Mustang in die Luft gejagt. Kann ich jetzt gehen?“
„Sie Drecksack! Ich werde Sie abknallen.“
Drei Finger Joe winkte lässig ab: „Nein, das wirst Du nicht.“
„Ach, und warum nicht?“
„Weil Du dann nie erfährst, wie Du das Leben deiner Familie retten kannst.“ 
Myers stürzte sich auf ihn, griff die Revers seiner Jacke und hob Joe in die Höhe: „Meine Familie? Was ist mit meiner Familie, Du Mistkerl.“
Joe blieb die Ruhe selbst: „Pfoten weg, sonst erfährst Du gar nichts.“
Myers ließ ihn los. „Also gut, reden Sie.“
„Lässt Du mich laufen?“
„Kann schon sein.“
„Schwörst du`s?“
„Ja, verdammt nochmal. Ja.“
„Die Explosion hat einen Impuls gesendet. In drei Minuten geht Deine Garage hoch. Hast du ein Handy?“
„Ja.“
„Dann ruf` Deine Frau an und sag ihr, sie soll in den Keller gehen. Los, beeil dich.“
Myers holte mit fliegenden Fingern sein Mobiltelefon heraus: „Schatz? Hallo Schatz – ja, ich bin`s. Hör zu, stell keine Fragen. Nimm Josh und den Hund und geh so schnell du kannst runter in den Keller. Sofort!“ Der Schweiß lief Myers in Strömen übers Gesicht. 
Joe drückte seine Kippe auf der Tischplatte aus und erhob sich: „Gut, dann können wir ja jetzt gehen.“
„Gehen?“ Myers schnaubte verächtlich, „ Du gehst nirgendwo hin. Nur in den Knast – und dann auf den Stuhl!“
„Zwei!", sagte Joe und hielt Myers seinen Zeigefinger vor die Nase, „Du brichst dein Wort, und du hast geflucht, das tut man nicht. Darum werden Deine Lieben in genau acht Minuten diese schöne Welt verlassen.“
„Was?“
„Dein Anruf, mein Freund, hat die Ladung erst scharf geschaltet. Und, sie ist auch nicht in der Garage ...“
„Du verdammter ...“ Ein Schuss peitschte die Luft, dann sackte Myers zusammen.
„Drei“, sagte Joe und sah auf die rauchende Kuppe seines rechten „Zeigefingers“.
„Falls du es genau wissen willst“, flüsterte er, „bald sind es acht.“ Er klopfte drei Mal an die Tür. Der wachhabende Officer öffnete ihm.
„O.K Mc Mullen“, sagte Joe und klopfte dem Mann vertraulich auf die Schulter, „Agent Myers hat mir soeben die Erlaubnis gegeben, diese gastliche Stätte zu verlassen. Los bring mich raus.“
„Ich glaube, du bleibst besser hier.“
„Wie?“
„Du hast gerade einen Agenten der Bundespolizei erschossen.“ 
Joe verzog das Gesicht: „Ach, sag bloß. Darauf wäre ich von selbst nicht gekommen. Mach keinen Quatsch und bring mich zum Hinterausgang. Mein Wagen wartet.“
„Nein.“
„Nein? Was soll das heißen, du irischer Vollidiot, du stehst auf meiner Gehaltsliste.“
„Du bleibst hier Joe.“
„Gut, wenn du es nicht anders willst, werde ich jetzt bis drei zählen. Du weißt, was das heißt.“
Mc Mullen griff Joes rechten Arm und presste ihn gegen die Wand, gleichzeitig zog er die 38er, die Myers ihm gegeben hatte, aus dem Hosenbund. "Seit zwanzig Jahren bedrohst, und erpresst du mich jetzt Mr. Dreifinger. Ich habe getan, was du wolltest, aber damit ist jetzt Schluss.“ Er drückte Joe den Revolver gegen die Rippen.
Der Mafioso grinste ihn an: „Du wirst mich nicht erschießen. Du bist ein Bulle, du bist an die Gesetze gebunden.“
„Ich schon“, sagte der Officer. Dann deutete er mit dem Kopf in Myers` Richtung, „aber er nicht.“
Mc Mullen schleuderte Joe in den Raum zurück, dann bellte die 38er einmal kurz auf. Der Officer wischte die Pistole ab und legte sie dem toten Agenten in die Hand. Er nahm sein Funkgerät: 
„Hier Officer Mc Mullen, brauche dringend Verstärkung und einen Krankenwagen. Habe hier zwei Verletzte in Vernehmungsraum Nr.4, beeilt euch.“ 
Sie würden zu spät kommen, ganz egal, mit wie viel Blaulicht sie auch anrückten. Mc Mullen atmete tief durch. 
Diesen linken Spaghetti war er los, und die „Familie“ konnte ihm nichts. Schließlich hatte er Drei-Finger-Joe nach Kräften unterstützt und sogar den Sprengstoff unter dem Auto deponiert. Agent Myers war bestimmt ein Verlust, aber adererseits hatte Mc Mullen  diese lackierten FBI Typen noch nie wirklich leiden können.

J.H.

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