Moin Leute. Ihr wisst ja: "Es ist ganz leicht das Rauchen aufzugeben. Ich habe es schon hundert mal geschafft." (Mark Twain)

Donnerstag, 26. Mai 2011

Waffenbrüder

Waffenbrüder


Wer behauptet, ich sei ein Militarist, nur weil ich bei der Bundeswehr gewesen bin, der ist ein Lügner, denn ich habe immerhin einen sehr persönlichen Beitrag zur Abrüstung des Westens geleistet.
Wer mich dagegen als Feigling bezeichnet und sagt, dass ich meinem Vaterland nicht hätte dienen wollen, der lügt ebenfalls.
Gewollt habe ich, soviel steht fest.

Die Jungs vom Kreiswehrersatzamt hatten mir eine freundliche Einladung geschickt mit der Aufschrift „Persönlich“.
Ein sehr offizielles Dokument.
Sie hielten große Stücke von mir und, obwohl sie mich doch gar nicht richtig kannten, waren sie der Meinung, so stand es da geschrieben, ich würde ganz hervorragend zu ihrer Truppe passen und sollte doch mal vorbei schauen.
Ich fand das nett von denen, dass sie an mich gedacht hatten, aber ich war mir nicht sicher, ob ich ihre Erwartungen auch erfüllen konnte.
Ich erkundigte mich erst mal bei meinen Kumpels am Bahnhof, was denn da wohl so alles auf mich zu kommen würde.
Bruno sagte: „ Bundeswehr ist gut. Bundeswehr muss sein - und vor allem, du hast nen lauen Job da. Du läufst ein bisschen durch die Gegend, schmeißt dich ab und zu mal in den Dreck, aber dann ist auch wieder gut – dann ist Mittag.
Dann machst du ein Schläfchen, danach noch zwei, drei Kniebeugen bis zum Kaffetrinken; anschließend schießt du ein paar Löcher in einen Pappkameraden, danach gibts Abendbrot - deine Vorgesetzten klopfen dir auf die Schulter, weil du alles so gut gemacht hast und schon geht es ab ins Bettchen.“
Genau“, sagte Gerhard, „ da kann man nicht meckern, der „Bund“ das ist schon eine schöne Zeit. Also wenn ich mich so zurück erinnere,...Am Wochenende wird gesoffen, oder ein bisschen mit dem Zug gefahren nach Hause, wenn man will.
Und wenn man nicht will, bleibt man eben in der Kaserne, da ist auch ein großer Zaun drum, da braucht man keine Angst zu haben, dass man vielleicht überfallen wird oder so.“
Das klang nicht schlecht: Drei Mahlzeiten am Tag, ab und zu mal ein bisschen spazieren gehen oder Turnen, das würde ich schon schaffen – ich bin nicht für Turnen, aber egal, man konnte ja mal guten Willen zeigen.
Gibt`s da auch Weiber?“ fragte ich.
Klar“, sagte Bruno, „ jede Menge. Jeden Dienstgrad den du haben willst, und am Wochenende gehst du in die Dorfdisco. Da warten sie schon auf die schicken Kerle in Uniform.“
Da stehen die drauf“, sagte Gerd und grinste mir mit seinen fehlenden Schneidezähnen entgegen, „ die haben alle „Top Gun“ gesehen.“
Und Bier?“ sagte ich „ich meine Bier - gibt es da denn auch ordentlich was zu trinken? Ist das im Preis mit drin, oder muss man das selber mitbringen?“
Ja, also...“ sagte Bruno, „ also Bier gibt es auch,...am Wochenende in der Kneipe. In der Kaserne eigentlich nicht so regelmäßig.“
Das gefiel mir nicht - was soll man mit Mädchen, wenn man kein Bier hat; dann traut man sich doch nicht.
Ich meine, wenn ich schon für mein Vaterland Kniebeugen machen soll und auf Pappkameraden schießen und noch allerhand andere Mätzchen machen, dann können die doch eigentlich auch für Bier sorgen, oder?
Das ist doch nicht zu viel verlangt.
Mir kamen echte Zweifel, ob das denn alles so das richtige für mich sein konnte.
Ich dachte mir: Nein, vielleicht werde ich den hohen Erwartungen dieser Leute ja doch nicht gerecht – und dann? Dann ist es ihnen nachher peinlich, und dann müssen sie eingestehen, dass sie sich mit mir vertan haben.
Der Gedanke war mir unangenehm.
Nee, da wollte doch lieber meinen Platz jemandem überlassen, der weniger Wert auf Bier mit Mädchen legt als ich, und vielleicht auch bessere Liegestütze zustande kriegt und auch noch etwas genauer auf den Pappkameraden schießen kann.
Erst hatte ich gedacht, ich schicke denen eine Karte, wünsche ihnen alles Gute, und versuche zu erklären, dass ich aus persönlichen Gründen lieber doch zu Hause bleiben will.
Aber ich hatte keinen Stift im Haus, und darum ließ ich es sein.
Ich dachte mir es wäre besser, wenn das ganze einfach in Vergessenheit geraten würde.
Weil: „Tote Hunde schlafen nicht“, wie man so sagt.

Eines Tages standen sie vor meiner Tür und hielten mir einen Zettel unter die Nase.
Sie sagten, sie wären die Feldjäger , und ich soll mitkommen.
Das war so gegen halb elf am Morgen, ich meine da ist man ja noch nicht mal wach - aber sie ließen sich nicht erweichen.
Ich fragte mich natürlich, was die Feldjäger eigentlich mitten in der Stadt zu suchen haben, sollen sie doch auf dem Feld jagen, wenn sie denn unbedingt jagen wollen - aber nein, sie wollten mich mitnehmen, darum waren sie hier; und in die Stadt durften sie auch.
Die grünen Männer waren nicht wirklich unfreundlich, ich durfte mich sogar noch anziehen und rasieren und ein paar Kleinigkeiten einpacken.
Sie waren höflich, aber bestimmt - das einzige was mich störte waren die Handschellen; zumal die Nachbarn dann auch alle gleich aus den Fenstern geguckt haben.
Die haben mir hinterher gepfiffen und einer hat gerufen: „Na du versoffener Sack, jetzt ham se dich doch am Arsch gekriegt. Verteidige mal schön unsern Plattenbau, und zeig mal was du drauf hast.“
Ich fand das nicht nett, muss ich ehrlich sagen – zumal ich nicht mehr trinke als jeder andere.
Die Herren, die mich abführten, ließen sich davon nicht weiter beirren und brachten mich in ihrem Lieferwagen zum Stabsarzt.
Der sollte mich auf Herz und Nieren prüfen.
Da hab ich ihm dann gesagt, also das Herz ist gut, die Nieren wüsste ich nicht, das könnte schon sein, die hätten ja auch immer ordentlich zu tun...
Na, dann sollte ich mal eine Urinprobe abgeben, und er gab mir einen kleinen Messbecher und ich dachte – gut, tu ich ihm den Gefallen. Ich meine, man will ja auch niemanden verärgern.
Ich gab mir richtig Mühe, und es war dann nur etwas problematisch das volle Gläschen ohne zu verschütten auf seinem Schreibtisch abzustellen - ging aber.
Der Doktor hatte da schon mehr Schwierigkeiten, das Glas ohne zu kleckern wieder weg zu nehmen, aber da konnte ich ja nichts dafür.
Wenn der am Morgen nicht zittern will, dann soll er am Abend eben nicht so viel saufen, dachte ich.
Er klopfte so an mir herum und prüfte die Reflexe, er guckte mir in den Hals und auch wo anders – das ging mir etwas zu schnell, ich meine, wir waren uns ja kaum vorgestellt worden.
Er stellte fest, dass ich Plattfüße habe und nahm mir Blut ab, was ich übertrieben fand.
Ein bisschen zu fett“, sagte er dann. „ aber das kriegen wir schon.“
Das war eine Bemerkung, die er sich hätte schenken können.
Dann saß ich auf dem Flur in Unterwäsche und Socken und wartete auf das Ergebnis der Untersuchung.
An einem Schreibtisch gegenüber saß eine süße Maus mit einem weißen Kittel.
Die grinst mich an und sagt: „ Na, wo willst denn du mal hin?“
Hin?“ sag ich, „ wo soll ich hin wollen, ich will bald wieder nach Hause. Ich muss mal ein Schläfchen machen, die haben mich mitten in der Nacht aus dem Bett geholt.“
Nein“, sagt sie , „ich meine zu welcher Einheit du willst, zu welcher Waffengattung.“
Darüber hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht.
Ich sag: „Ja, was ist denn da so zu empfehlen?“
Marine“, sagt sie, „die Marine hat die schönsten Uniformen. Die sehen wirklich schmuck aus, die Bengels.“ Sie ließ eine Kaugummiblase zerplatzen.
Nein“, sag ich, „ Marine, die haben doch mit Schiffen zu tun, oder?“
Ja“, sagt sie, „ Marine hat mit Schiffen zu tun..“
Nee“, sag ich, „ das is nix für mich, da wird mir schlecht. Das Geschaukel vertrage ich nicht.“
Na, dann vielleicht U-Boot“, sagt sie, „die schaukeln nicht. Und vor allem jetzt, wo es doch die Neuen mit Atom - Antrieb gibt.“
Ich sag: „ U-Boot? - das ist doch unter Wasser.“
Ja“, sagt sie, „ U-Boot hat damit zu tun. Das ist auch unter Wasser.“
Nein, nein“, sag ich, „ unter Wasser, da...da kriege ich ja Budenangst. das geht ganz bestimmt nicht. Ich kann ja auch gar nicht schwimmen.“
Und dann zählte sie mir alle Möglichkeiten auf, die man als aufstrebender Waffenträger so haben kann, und jede Ausbildung, und wie spannend das doch alles ist. Aber wir kamen nicht so recht überein, denn es gab an allem etwas, das mir nicht so richtig liegen wollte. Am Ende blieben nur noch die Panzer.
Panzerfahrer, sagte sie, das würde es doch sein.
Panzer! damit durch`s Gelände heizen, das war doch abenteuerlich und das konnte sie sich gut für mich vorstellen; so mit dem „Leopard“, oder mit dem „Ozelot“ , oder dem „Tiger“ die Heide verwüsten, das war doch besser als Paris – Dakkar.
Was immer das auch heißen mochte.
Sie lächelte mich so bezaubernd an, dass ich sagte: „ Ja, das könnten wir versuchen.
Doch, doch...das könnte vielleicht was sein.“
Und so unterschrieb ich auf dem Zettel, und kreuzte an: Panzerfahrer.
Ich hatte schon immer ein besonderes Faible für Kettenfahrzeuge gehabt, und „Panzer - Fahrer“ war ja auch etwas, das mit „fahren“ zu tun hatte, und fahren fand ich immer noch besser als „laufen“ oder „schwimmen“.
Allerdings hoffte ich im Stillen immer noch auf ein medizinisches Ergebnis, dass mich für untauglich erklärte – große Maschinen hin oder her.
Aber zu meiner Überraschung war ich tauglich.
Gut, dachte ich, du bist gesund, das ist schon mal nicht schlecht – dann brachten sie mich in die Kaserne.
Da war es eigentlich... auch nicht so schön,wie ich gedacht hatte; ich musste mit noch fünf anderen auf einem Zimmer schlafen und das war ich nicht gewöhnt.
Es gab da gar keine Frauen, wie Bruno gesagt hatte, es gab roten Tee, und vor allem standen diese Leute immer in aller Herrgotts-Frühe auf.
Das ging ja gar nicht.
Ich stellte fest: Mein Kumpel hatten mich belogen.
Es war viel mehr Laufen, als er gesagt hatte. Viel mehr Liegestütze, als er gesagt hatte, und das Essen war auch für die Hose.
Nicht besser als meine Ravioli zu Hause, und nicht mal richtig warm.
Es dauerte vier Tage - doch, so lange gab ich ihnen.
Ich brachte ein paar konstruktive Verbesserungsvorschläge ein, aber es änderte sich nichts, und so ging ich am fünften Tag zu meinem Vorgesetzten und sagte: „ Hallo, Herr Major...“
Können Sie nicht anständig grüßen?“ sagte der.
Ich sagte: „Moin“, das gefiel ihm aber auch nicht.
Dann versuchte ich es ihm klar zu machen, und sagte: „ Es ist hier leider doch nicht wirklich so schön, wie ich es mir vorgestellt habe, seien sie da nicht beleidigt; aber ich möchte dann doch lieber den Dienst quittieren – die Probezeit ist ja auch noch nicht vorbei...“
Da schnauzt der mich an: „Stellen sie sich mal gerade hin. Was faseln Sie da für einen Unsinn? Sind Sie denn besoffen, Mann?“
Ich sag: „ Nein, das ist ja gerade das Problem.“
Gehen Sie sofort auf ihre Stube, sagt er, gleich ist Appell und wenn Sie da nicht pünktlich auftauchen Soldat, dann werde ich mit ihrem Arsch den Boden wischen...und was er nicht noch alles erzählte.
Also, er hörte mir gar nicht wirklich zu - er verstand einfach mein Problem nicht.
Das betrübte mich dann doch.
Und so vergingen die Tage, und wir machten Leibesübungen, krochen durch den Dreck, kletterten über Zäune und machten uns die Hosen kaputt - als ob so was irgendeinen Feind beeindrucken konnte. Vielleicht hätten die sich ja tot gelacht, wenn sie uns gesehen hätten, ich weiß es nicht.
Dann kamen die Schießübungen, die waren auch nicht ganz so erfolgreich, wie es der der Ausbilder gern gesehen hätte, aber das lag ganz klar am Gewehr.
Das musste man jeden Abend auseinander nehmen und auch wieder zusammensetzen; ich meine, welcher Apparat der was taugt braucht so viel Aufmerksamkeit?
Da haben die Chinesen euch aber einen ziemlichen Schrott angedreht, sagte ich zum Spieß – und ging zwei Tage in den Bau.
Danach behauptete ich, dass meine schlechten Ergebnisse bestimmt mit meinen pazifistischen Genen zu tun hatten - unbewusst wollte ich wohl nicht mal dem Pappkameraden weh tun. Der Armeepsychiater glaubte das auch.
Unser bester Schütze war der Peter, Peter Johannsen, der holte mit einem Schuss mehr Ringe, als ich mit dem ganzen Magazin.
Eines Tages sag ich zu ihm: „ Johannsen, warum schießt du eigentlich so gut?“
Das ist ganz einfach“ , sagt er, „ ich stelle mir einfach vor, das da ist mein größter Feind. Na, und dann geb ich`s ihm ordentlich.“
Was für ein Feind?“
Na, ein Russe vielleicht.“
Ich hab nichts gegen Russen.“
Dann ein Chinese, die Rote Gefahr.“
Ich hab nichts gegen Chinesen.“
Dann eben der Typ, der deine Schwester geschwängert hat.“
Ich bin Einzelkind.“
Vielleicht ist es der Schweinehund, der deine Freundin vergewaltigen wollte.“
Ich habe keine Freundin.“
Dann weiß ich nichts mehr“, sagte Peter.
Ich schoss weiterhin daneben.


Eines Tages führte man uns die Panzer vor, man zeigte uns unseren neuen Arbeitsplatz.
So, sagten sie, da steigt mal ein, dann werdet ihr eingewiesen – und dann geht es auch bald los. Und alle waren sehr aufgeregt – ich erst nicht, aber als ich durch die enge Luke sollte, dann doch.
Ich fragte, ob ich nicht vielleicht auch außen mitfahren könnte, weil es doch etwas wenig Platz für so viele Leute da drinnen war - aber nein, ich musste durch die Luke, und ich musste da rein, und da war es dunkel und laut und sehr warm und roch nach Füßen.
Ich konnte mir nicht vorstellen, wie man sich in diesem Ding für längere Zeit wohlfühlen sollte.
Man konnte auch kein Fenster aufmachen, es gab da keine Fenster.
Ein Vorschlag, den ich bei Gelegenheit dann mal meinem Vorgesetzten unterbreiten wollte: Fenster einbauen.
Dann sieht man auch viel mehr, wie soll man denn richtig schießen, wenn man nichts sehen kann? Die Jungs hatten das nicht drauf, die hatten im Detail doch echt gepfuscht.
Von der ganzen Einweisung blieb mir eigentlich nur im Gedächtnis, dass der Ausbilder auf eine große, rote Lampe zeigte und sagte: „ Diese Lampe darf nicht aufleuchten, dann wird der Motor zu heiß. Und wenn der Motor zu heiß wird, dann geht der kaputt. Und ein Gerät wie dieses hier, kostet fünf Millionen, das ist viel Geld – soviel verdient ihr in eurem ganzen Leben nicht. Also Leute, immer schön darauf achten, auf die rote Lampe.“
Ich weiß auch nicht, woran es gelegen hat, ob mein innerer Pazifist da wieder am Werk war, jedenfalls kam vierzehn Tage später das Manöver und wir durften dann auch mit unseren neuen Panzern ins Gelände.
Und ich dachte : Gut, geben wir mal ordentlich Gas, damit wir das hier auch bald mal hinter uns haben. Und tatsächlich, da leuchtete die rote Lampe auf und ich meinte wohl im Eifer des Gefechts, das sei der Hinweis darauf, dass der Motor seine Betriebstemperatur erreicht hatte und man jetzt nochmal richtig beschleunigen durfte – was ich dann auch tat.
Es war eine beachtlich schnelle Runde, die wir da drehten, und dann gab es einen ganz gewaltigen Knall und es war lauter schwarzer Rauch um uns herum.
Wir sind getroffen!“ rief ich, „wir sind getroffen. Die scheiß Russen haben uns erwischt, (oder wer immer der Feind auch gerade war).“
Ach, was für ein Ärger.
Wir zwängten uns durch die Luke nach draußen, husteten und spuckten auf den Boden. Ich schüttelte den Kopf und sagte zu meinem Ausbilder, der im Laufschritt auf uns zu gestakst kam: „ Entschuldigen Sie, das war ein Treffer. Das darf nicht vorkommen. Haben unser Bestes getan, sind extra nochmal etwas schneller in die letzte Runde gegangen, hat nichts genützt – Feind hat uns leider trotzdem erwischt. Melde gehorsamst.“
Es gab danach eine Gerichtsverhandlung und man unterstellte mir, ich hätte mit Absicht den Panzer kaputt gemacht, was natürlich in keinster Weise stimmte, aber die anderen waren da anderer Meinung.
Ich durfte also von da an keinen Panzer mehr anfassen, nicht mal mehr in die Nähe eines Panzers kommen, aber man beförderte mich trotzdem.
Ich bekam eine sehr verantwortungsvolle Position: Ich durfte Nachts das Kasernengelände bewachen.
Ich musste aufpassen, dass keine feindliche Armee uns im Schlaf überraschte, oder ein Spion sich einschlich. Ich wusste, dass dies eine sehr viel sinnvollere Aufgabe war, als Panzer fahren. Es war auch viel anspruchsvoller, denn man musste lernen im Stehen zu schlafen ohne umzufallen.
Das war eine ganz beachtliche Fertigkeit, die mir im Späteren noch bestimmt gute Dienste leisten würde.
Wir exerzierten das jede Nacht, und wurden darin schnell ziemlich gut.
Das dumme war nur, dass unser Ausbilder damit nicht einverstanden zu sein schien. Er entwickelte die Angewohnheit sich in die Büsche zu schlagen um uns zu erwischen. Dann bekamen wir Strafen auf gebrummt und Ausgehverbot.
Es schien ihm wirklich Spaß zu machen - was ich nicht verstand.
Ihr sollt hier nicht pennen, ihr sollt aufpassen und wachsam sein, sagte er, wenn ich jetzt ein feindlicher Spion gewesen wäre, was dann? Dann hätte ich sonstwas anstellen können, und ihr hättet es nicht bemerkt. Also seid wachsam - Verstanden?
Verstanden“, sagte wir und schlugen die Hacken zusammen.
Ich hatte zwar in der ganzen vergangenen Zeit noch nie einen Feind zu Gesicht bekommen, aber ich befolgte seinen Rat und war von jetzt an wachsam und passte auf. Und das war gut so.
Eines Nachts stand ich also wieder auf meinem Posten, da raschelte etwas im Gebüsch. Das war der Fall des Falles, das war der Grund meines Hierseins, darum hatte man mich hierher gestellt. Da war der Feind! da schlich sich jemand an.
Ich musste ihn sofort erschießen, auch ohne Vorwarnung – wer uns an den Kragen wollte hatte es nicht anders verdient. Ich lud das Gewehr durch und zielte auf den Busch der da raschelte. Aber dann war wieder mein innerer Pazifist zugegen und meinte: He Mann, warum denn immer gleich schießen? Kann man das nicht auch anders lösen? Feinde sind doch irgendwie auch nur Menschen die Befehle haben...usw.
Ich senkte das Gewehr und ging auf das Versteck des Feindes zu und rief: „Wer da? Hände hoch, oder ich schieße!“ und im gleichen Moment drehte ich das Gewehr um, und hieb mit dem Kolben herzhaft zu.
Es gab wieder eine Verhandlung, und wieder wurde ich bezichtigt, irgendetwas falsch gemacht zu haben.
Und ich sagte: „Ich konnte doch nicht wissen, dass der Spieß sich nachts in den Büschen herumtreibt. Ich hätte normalerweise schießen müssen, dann hätten wir jetzt einen Ausbilder weniger und eine Ausbilderwitwe mehr.“
Das sahen sie wieder mal nicht ein und meinten, sie würden mich dann doch lieber entlassen, denn sonst hätten die Chinesen demnächst niemanden mehr den sie angreifen konnten. Das war ungerecht.
Ich hatte meine Pflicht getan.
Was kann ich dafür, dass die ihre Panzer in Shanghai auf dem Fischmarkt kaufen und sich unsere Leute im Gebüsch herum treiben?
Ich war mir keiner Schuld bewusst, nein ich fühlte mich gekränkt.
Und dabei hatte ich mich schon so gut eingelebt, dass ich fest entschlossen war, Berufssoldat zu werden.






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