Moin Leute. Ihr wisst ja: "Es ist ganz leicht das Rauchen aufzugeben. Ich habe es schon hundert mal geschafft." (Mark Twain)

Mittwoch, 4. Mai 2011

Mittags am Golf von Mexico

Eine Sommergeschichte


iiiiiiiihhh!! Mama, ein Hai!“ der Schrei des Mädchens hätte eine Fensterscheibe zum bersten bringen können, wenn es hier am Strand von Anna Maria Island ein Haus mit Fensterscheiben gegeben hätte.
Natürlich ein „Hai“, dachte Heidi Heringshai als sie vorüber schwamm - was denn sonst?
Mama Hilfe! Mama, Mama...“ das Mädchen versuchte aus dem Wasser zu flüchten, aber obwohl sie einen gewaltigen Wirbel machte, kam sie kaum vorwärts.
...Mama, er will mich fressen.“
So ein Quatsch, dachte Heidi. Hast du mal auf die Größe meiner Rückenflosse geachtet? Ich bin gerade mal eins-fünfundzwanzig lang und wiege kaum dreißig Pfund.
Er kommt, Mama er kommt. Er frisst mich Mama, er frisst mich auf!“

Wie sollte ich dich wohl auffressen, mit diesen Zähnen? Ich müsste dich lutschen, du blöde Göre. Hör schon auf zu schreien, ich bin nicht der Große Weiße aus dem Kino...
Zwei dicke , bleiche Baumstämme tauchten mit Wucht rechts und links von Heidi ins Wasser.
...und ich fresse keine...AUA! Etwas hatte Heidi mit Wucht am Rücken getroffen und ihre Schwanzflosse wurde gefühllos. Es musste ein Riese sein, der da seine Keule schwang.
Du Satansbraten! Du willst mein Töchterchen erschrecken?“
Patsch!
Du blöder Haifisch , Du!“
Watsch!
Dich werd ich Mores lehren, du mistige Makrele.“
Pusch!
Wie Wasserbomben donnerten die Einschläge um Heidi herum.
So was machst du nicht mit Edwina Thompson. Und schon gar nicht mit ihrer süßen Petronella.“
Batsch!
Heidi hatte sich bis zu diesem Moment immer für ein besonders flinkes Exemplar ihrer Gattung gehalten, aber sie vermochte es nicht den Schlägen auszuweichen.
Nur ihre empfindliche Nase schützte sie, indem sie den Kopf genau zwischen den Baumstämmen hielt, hierhin fuhr die Keule des Riesen nicht.
Das Wasser um sie herum kochte, brodelte und ihr Angreifer wirbelte so viel Sand auf, dass man die Flosse vor Augen nicht mehr sah.
Auch Edwina konnte nichts mehr erkennen, aber sie wusste, der Fisch war noch da.
Da, genau zwischen ihren Füßen. Sie war außer Atem, aber noch lange nicht am Ende. Konzentriert wie ein Kendo Kämpfer nahm sie den Sonnenschirm und drehte ihn, bis seine Spitze senkrecht nach unten zeigte.
Heidi verhielt sich ganz still, ihr war schwindelig. Die weißen Bäume rechts und links von ihr waren nur verschwommene helle Schatten. Sie sah genauer hin. Da waren blaue und lila Wülste zu erkennen, sie sahen fast aus wie Adern. Adern?
Das sind keine Bäume, dachte Heidi, das sind Beine!
Ich habe drei Mistkerle von Männern unter die Erde gebracht, und die waren schlimmer als du“, flüsterte Edwina, „und heute Abend“, sie erhob den Schirm zum tödlichen Stoß, “ heute Abend gibt es gegrillten Hai mit KartoffelsalAAAHHH!“
Heidi hatte ihre Zähne in den linken „Baum“ geschlagen.
Au Verdammt, er hat mich gebissen!“
Heidis Zähne steckten in einer wunderbar weichen, weißen Masse. Keine Knochen, keine Knorpel, keine Sehnen, kein Widerstand – es war ekelhaft.
Edwina riss die Arme in die Höhe, und der Sonnenschirm landete einige Meter weiter in der türkisblauen See. Die Wut über ihre viel zu kleinen Zähne ließen Heidi ihre eigentlich friedliche Gesinnung vergessen – sie setzte nach.
Ah, du elende Mißgeburt“, fluchte Edwina,“ Petronella hilf mir! Hol den Schirm – schnell.“
Das Mädchen stand am Ufer und rührte sich nicht.
Petronella, hol den verdammten Schirm. Hörst du !“
Mrs. Thompson hob ihr massiges Bein mitsamt dem Hai aus dem Wasser. Sie wollte das Untier abschütteln, aber Heidi hatte sich an ihr fest gebissen, wie ein Terrier an einem Postboten.
Edwina griff nach Heidis Schwanz.
Petronella, du unnützes Balg. Ich prügel dich windelweich, wenn du nich sofort herkommst und mir hilfst.“
Das Mädchen bewegte sich nicht.
Heidi hatte eine dicke hellblaue Vene ins Visier genommen. Sie löste ihren Kiefer für einen Moment und schnappte dann mit aller Kraft erneut zu. Ihr Mund füllte sich mit süßem Menschenblut - das war doch schon sehr viel besser.
Mrs. Thompson verlor den Halt und stürzte, wie in Zeitlupe, rückwärts. Ihr mächtiger Hintern teilte die Fluten des Golfes, der sich das allerdings nicht lange gefallen ließ und wieder über ihr zusammen schlug. Edwina schluckte Wasser und verlor ihre Badekappe, aber Heidis Schwanz ließ sie nicht los.
Heidi wand und drehte sich während sich ihre Zähne immer tiefer in den Unterschenkel gruben.
Edwina änderte ihre Strategie. Sie umklammerte den Fischschwanz jetzt nur noch mit der linken Hand, mit der Rechten hämmerte sie auf Heidis Schädel ein.
Heidi hielt fest, und die Wunde an Edwinas Bein wurde größer.
Rote Wolken waberten durchs Wasser. Mrs. Thompson sah das Blut und wurde panisch.
Petronella! Petronella beweg dich endlich und hilf mir“, rief sie.
Das Mädchen ließ die Schultern sinken und blickte zu Boden.
Ein Mann mit gestreifter Badekappe, krummen Beinen und Nickelbrille war herzu gekommen und stand nur wenige Meter von Petronella entfernt.
Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Oberkörper nach vorn gebeugt und blinzelte kurzsichtig in Richtung des Getümmels.
Er wirkte in seiner altmodischen Badehose nicht wie ein Life Guard aus dem Fernsehen, aber Mrs. Thompson hatte keine Wahl.
He Sie, Sir. Dann helfen sie mir doch bitte mit diesem Mistvieh.“
Sie donnerte eine Rechte aus Heidis Kopf.
Der Mann deutete auf seine kaum behaarte Brust. „Wer, Ich?“
Natürlich Sie, wer denn sonst? Meine verblödete Tochter rührt sich nicht, und die Jungs von Baywatch sind im Urlaub. Also los Mann, helfen sie mir raus.“
Der Mann scharrte mit den Füßen im Sand und schüttelte den Kopf.
Ich kann nicht Ma`am, da is ein Hai.“
Ach, was sie nicht sagen. Da wäre ich alleine ja nie drauf gekommen. Was glauben sie, wer mich hier gerade in die Wade beißt.“
Der Mann sah auf seine Füße und schüttelte noch einmal den Kopf.
Den meine ich nicht“, sagte er.

Heidi, Heidi“; sagte Torres Tigerhai und seufzte, „das hätte ich nicht von dir gedacht. Sieh dir bloß mal an, was für eine Schweinerei du hier veranstaltet hast.“
Heidis Kopf dröhnte von den Fausthieben, die sie hatte einstecken müssen.
Halt`s Maul, Torres“, sagte sie.
Torres sog etwas Wasser durch seine Zahnlücken um die Speisereste zu entfernen.
Nee nee, alles voll mit ihrem fettigen Blut, und überall schwimmen noch Reste von der Dame herum. Gönn dir was, Mädchen. Einen halben Unterarm habe ich dir noch übrig gelassen.“
Torres, halt`s Maul.“
Ihr hässlicher Schädel dümpelt da auch noch irgendwo rum, aber den können sich von mir aus die Aale teilen“, Torres rülpste, „ Mann, is mir schlecht.“
Einer von Edwinas dicken Fingern trieb langsam an Heidi vorbei. Sie schnappte danach - er schmeckte nach Sonnencreme.
Guck mal Heidi, der Alte mit den krummen Beinen. Der ist ganz grün im Gesicht, ich wette zwei zu eins, der macht gleich ein zähflüssiges Bäuerchen. ...Siehste, ich hatte recht.“ Torres grinste, „ Bloß gut, dass die Kleine uns nicht in die Quere gekommen ist. Nur Haut und spitze Knochen, da kann man sich übel dran verschlucken, sag ich dir. Ein Vetter von meiner Mutter...“
Sieh mal Torres“, sagte Heidi.

Petronella, die Tochter der kürzlich verschiedenen Mrs. Thompson, stakste schlafwandlerisch auf das Wasser zu. Bis zu den Knien watete sie in die rötliche Brühe hinein. Sie fischte etwas heraus, das die Größe eines eines Handballes hatte und von ähnlich bleicher Farbe war.
Die beiden Haie schwammen näher heran, sie waren neugierig.
Oh hallo Mrs. Thompson“, sagte das Mädchen, „ sie sehen heute aber gar nicht gut aus. Was ist ihnen denn bloß widerfahren - sind sie schwimmen gewesen und eine Schiffsschraube hat sie erwischt? Nein?“ Das Mädchen schmunzelte. „Ach so, ein Hai hat sie ins Bein gezwickt. Ein kleiner böser Babyhai“, sie schürzte die Lippen als ob sie zu einem Kleinkind spräche, „Oh, dieses böse, böse Tier. Und Ihre Tochter? Diese nichtsnützige, stumpfsinnige, unbegabte und vor Blödheit stinkende Petronella hat ihnen nicht geholfen? Nein? Sie hat einfach nur da gestanden und keinen Finger gerührt?“ Petronella schüttelte den Kopf, „ Nein, das ist wirklich keine Art mit der eigenen Mutter umzugehen. Aber Mrs. Thompson, eigentlich sind sie selbst daran schuld. Wer seine Kinder nicht richtig erzieht, wer zu freundlich und zu milde ist, der darf sich nicht wundern. Das haben sie jetzt von ihrem guten Herzen.“ Das Mädchen seufzte, „ Ach Mrs. Thompson, sie hätten sie öfter schlagen müssen. Mit der Zeitung oder dem Pantoffel auf den Rücken, damit man es nicht sieht. Sie hätten auch viel früher damit anfangen müssen – nicht erst mit drei Jahren.
Und der Kleiderschrank? Viel zu harmlos. Der dunkle Keller hätte es sein müssen, mit dem Hinweis darauf, nicht auf die Spinnen zu treten.“ Petronella zuckte mit den Schultern. „Sie waren zu unentschlossen Mrs. Thompson, ja, ja. In der Kindheit und später in der Jugend erst recht. Sie hätten Petronellas Willen, ihren Stolz und ihr freches Selbstbewusstsein viel früher brechen müssen – nicht erst mit zehn. Sie einfach nur anzuschreien war nicht genug.“ Das Mädchen ließ die Arme sinken und ihr Blick schweifte in die Ferne. Der Schädel tauchte bis zur Hälfte ins Wasser, aber sie hielt ihn an den Haaren fest, damit er nicht fort schwamm.
Heidi verfolgte Petronellas Monolog mit gebannter Spannung, Torres dagegen verdrehte nur gelangweilt die Augen und beschäftigte sich lieber mit seinem Sodbrennen.
Spielerisch zog das Mädchen den Kopf ihrer Mutter aus dem Wasser und ließ ihn dann wieder fast versinken.
Nein, Mrs. Thompson“, sagte sie, „Sie haben ihre Möglichkeiten an diesem Kind vertan. Und später, in Petronellas Pubertät? Da wäre die Gelegenheit gewesen das Steuer noch einmal herum zu reißen. Sie hätten ihre Tochter viel öfter lächerlich machen müssen, vor allem in Gegenwart Fremder. Aufhänger gab es doch genug. Warum haben sie so selten eine Bemerkung über Petronellas „Silberblick“ gemacht, ihre starke Körperbehaarung bemerkt, oder davon gesprochen wie angenehm ihre Tochter vor der der Pubertät gerochen hat? Sicher, sie haben oft für Erheiterung der Gesellschaft gesorgt, wenn sie den „Stacheldraht“ in Petronellas Mund erwähnten, aber war das genug? Nein, Mrs. Thompson, das war es nicht.“
Petronella zog den Kopf ihrer Mutter sanft, ja fast zärtlich an den Haaren durch die Wellen. Das Wasser wurde klarer, das Blut schien ausgewaschen zu sein.
Mit einem Ruck zerrte sie an den Haaren und Edwinas Gesicht tauchte auf.
Sie haben ihre Chance vertan“ sagte Petronella, „das Schicksal hat ihnen so viele Möglichkeiten gegeben, aber selbst als dieses unnütze Kind nur noch stammelnd und mit heißen Händen durch die Welt ging, haben sie nicht zugeschlagen, den Sack nicht zu gemacht.“ Petronella schnellte unvermittelt hoch und riss Edwinas Kopf an den Haaren aus dem Wasser. Sie schleuderte das bleiche Ding wie ein Hammerwerfer herum und brüllte: „Du hast versagt Mrs. Thompson! Du hast versagt Edwina! Du hast versagt Mutter!“
Bei der letzten Silbe ließ sie los und Edwinas bleicher Schädel flog weit in die Dünung hinaus.
Torres stieß einen anerkennenden Pfiff aus: „ Nicht schlecht Mädchen. Langweiliges Gequatsche, aber ein guter Wurf.“
Petronella sah zu ihm hinüber.
Bist du das gewesen, hast du meine geliebte Mutter gefressen ?“
Äh, ja...ich meine“, sagte Torres, „ ...ich würde das nicht „gefressen“ nennen, ich habe sie ...nur einmal probiert.Genau, eigentlich nur probiert, habe ich sie.“
Das Mädchen stemmte die Hände in die Hüfte, dann legte sie den den Kopf zur Seite und betrachtete den Tigerhai.
Selber schuld“, sagte sie.


2 Kommentare:

  1. Hi Janek,
    so kann es gehen *zwinker* lustige Geschichte.

    Liebe Grüße,
    Brianna

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  2. Hi Brianna,
    ich wünsche dir einen schönen Badeurlaub.

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